Schon seit längerer Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema Sucht und WoW (World of Warcraft). In diesem Artikel möchte ich euch in meine Gedanken mitgeben und, wenn Interesse von eurer Seite besteht, in der Kommentarfunktion eine Diskussion ermöglichen.
Inhalt
Hinweis: In diesem Artikel beschäftige ich mich mit dem Thema Sucht und WoW. Den Artikel zur generellen Einführung in WoW findest du hier.
Erste Definition: Sucht
Damit wir hier das gleiche Verständnis haben, einleitend einmal eine Definition der WHO (Weltgesundheitsorganisation) zum Begriff Sucht:
Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge
Quelle: Uni Regensburg
Die WHO geht noch weiter und erklärt, dass dafür einige der folgenden Kriterien erfüllt werden müssen:
– Unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels
Quelle: Uni Regensburg
– Tendenz zur Dosissteigerung (Toleranzerhöhung)
– Psychische und meist auch physische Abhängigkeit von der Wirkung der Droge
– Schädlichkeit für den Einzelnen und oder die Gesellschaft
– Verlust der Kontrolle über das eigene Verhalten
In dieser Definition bewegen wir uns, wenn wir das Thema WoW und Sucht anschauen.
Oder wie ich es auch für mich zusammenfassen würde: Sucht findet dort statt, wo man sich in einer Abhängigkeit zu etwas selbst oder anderen Schaden zufügt.
Die Geschichte zu Sucht in WoW
Wie vieles, das sehr populär ist, wurde auch World of Warcraft irgendwann kritisch betrachtet. Dabei fiel auf, dass das Spiel ein hohes Suchtpozential zu haben schien. Es finden sich im Internet massenhaft Berichte darüber, wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene nach Monaten ein Leben führen, bei dem sich alles um die Welt von World of Warcraft zu drehen scheint.
Auch wenn das Thema schon mehr als 10 Jahre alt ist, hat es bis heute Relevanz. Bis heute finden sich auf YouTube und in Foren Berichte von Menschen, die aus ihrer WoW-Sucht ausgestiegen sind und offen davon erzählen, was die Sucht in ihrem Leben für Einfluss hatte.
Das Thema dürfte in den letzten Monaten nochmal an Interesse gewonnen haben. Denn in Folge des Coronavirus sind die Spielerzahlen in WoW deutlich gestiegen.
Warum WoW so viel Suchtpotenzial hat
Es gibt einige Erklärungen dafür, warum WoW so gefährlich darin ist seine Spieler süchtig zu machen. Die zwei wichtigsten sind aus meiner Sicht diese:
Schnelle Belohnungen
Einer der Kernelemente von World of Warcraft, sind die Quests. Hier erhält man Aufgaben, die es zu erledigen gilt. Dafür gibt es Erfahrungspunkte, Gold und Ausrüstung. Auch für einfache Tätigkeiten, wie das Töten von kleinen Monstern, das Ernten von Pflanzen oder Abbauen von Erzen, Erkunden von neuen Gebieten, gibt Belohnungen.
Ersatz für (unzureichende) Realität
Die Entwickler hinter World of Warcraft haben gute Arbeit geleistet und eine Welt geschaffen, in der man versinken kann. Dadurch ist der Gedanke, sie gegen die Realität einzutauschen, sehr verlockend. Vor allem dort, wo die Realität nicht so aussieht, wie man sie gerne hätte.
In World of Warcraft wirst du für Fortschritte permanent belohnt. Egal ob du eine Wegstrecke zurücklegst, einen neuen Bereich in der Welt entdeckst, in deinem Beruf aktiv bist oder Monster tötest. Gleichzeitig dreht sich das Spiel um dich, du scheinst der Held zu sein, der ganze Völker, Kontinente oder sogar mehrere Welten vor ihrem Verderben retten kannst. Nachvollziehbar, dass sich manch einer gerne in dieser Welt verliert.
Weitere Faktoren für ein höheres Suchtpotenzial
Es gibt meine ich noch mehr Dinge, die World of Warcraft mit einem hohen Suchtpozential verbinden lassen. Zu diesen gehören:
- Abo-Modell: WoW kostet monatlich etwas. Hier kann die Logik „Wenn ich Geld dafür bezahlt habe, will ich es auch nutzen“ Raum finden.
- Soziale Interaktion: Man sieht in WoW hunderte andere Spieler und kann mit ihnen entweder direkt oder indirekt kommunizieren.
- Kein „Ende“: WoW wird permanent weiterentwickelt. Es gibt also keinen Punkt wo man sagt „Ok, ich hab das Spiel durch“. Theoretisch kann man jederzeit neue Charaktere entwickeln oder seltene Erfolge freischalten.
Zweite Definition: Hobby
Warum die Definition? Manche werden WoW als Hobby definieren. Während andere davon sprechen, dass sie bei WoW mit einer Sucht zu kämpfen haben. Wo ist die Trennlinie?
Ich habe ein Hobby mal wie folgt definiert: „Eine freiwillige Tätigkeit, die man in seiner Freizeit ausübt.“
Eine der Kriterien für Sucht der WHO lautet: „Unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels“.
Hier ist aus meiner Sicht die saubere Trennlinie. Es ist solange ein Hobby, solange ich eben nicht einem unbezwingbarem Verlagen nachgebe. Spiele ich World of Warcraft freiwillig, ist alles ok.
Die Linie zwischen Hobby und Sucht
Jeder, der dazu neigt Dinge exzessiv anzugehen, wird um den schmalen Grad wissen, zwischen Hobby und Sucht. Das gilt übrigens für so ziemlich jedes Hobby, über das ich hier auf JbeH schreibe.
Ein Beispiel für diese Linie ist Sport. Wer einen Bürojob hat und mit Sport anfängt, wird (neben Muskelkater) auch häufig merken, wie gut das Kopf und Körper tut – ein Hobby, das einem gut tut und von dem man und das Umfeld profitiert.
Ungesund ausgeführt leidet aber der Körper darunter, ebenso der Kopf. Bei der Wahl zwischen einem Abend mit Freunden und dem Besuch im Fitnessstudio, hat immer letzteres Vorrang. Egal wie sehr der Körper schmerzt, es scheint nichts wichtigeres zu geben, als Sport zu machen.
Ähnlich sehe ich es beim Spielen von World of Warcraft. Wer in die Spielwelt versinkt und es genießt, merkt das es einem gut tut, profitiert hiervon – und auch das Umfeld.
Ungesund ausführt entwickelt sich aber eine Sucht daraus. Man leidet darunter, z.B. nicht mehr genug Schlaf zu bekommen. Die Leistung auf der Arbeit / der Ausbildung verschlechtert sich. Körper und Geist leiden darunter. Die Konsequenzen merkt auch das soziale Umfeld.
Negative Beispiele für die Nutzung von WoW
WoW hat das Potenzial süchtig zu machen – scheinbar mehr, als manch anderes Computerspiel.
Ich möchte hier nicht zu sehr auf die Beispiele eingehen, wo eben das passiert ist. Ihr findet sie zahlreich in Foren oder YouTube-Videos.
Wichtiger ist mir einen Umgang mit WoW aufzuzeigen, der positiv geprägt ist.
Positive Beispiele für die Nutzung von WoW
Während meiner Recherchen habe ich bewusst nach positiven Eindrücken zu World of Warcraft Ausschau gehalten und bin dabei auf einige tolle Beispiele gestoßen (leider finde ich meine Notizen dazu nicht mehr).
So wurde von Familien berichtet, die nach der traditionellen Familienfeier alle ihre Notebooks im Wohnzimmer aufbauen und miteinander spielen – über jung und alt, 3 Generationen.
Ich las auch von einem Vater, der häufig auf Geschäftsreisen war und im Hotel dann sein Notebook anwarf, um mit seinem Sohn, der Zuhause vorm Computer saß, World of Warcraft zu spielen, während man telefonierte. Wurde nach den Hausaufgaben gefragt, war auf einmal die Verbindung weg… 😀
Auch charmant: Eine Familie, ebenfalls über 3 Generationen, in der der Großvater, erstmal wenig begeistert von WoW, anfängt zu spielen und sich zum Rechen-Genie entwickelt. Er weiß immer, welche Ausrüstung in welcher Kombination und Fertigung die beste ist und gibt Tipps.
Es gibt sogar Schulen, die die Welt von WoW mit ihrem Lerninhalt verbinden. Schüler erledigen einige Aufgaben in dem Spiel oder erhalten für ihre getätigten Hausaufgaben Erfahrungspunkte und ähnliches.
Positive Beispiele gibt es auch bezogen auf soziale Interaktionen. Aus Gildenmitgliedern werden Freunde, manche finden in World of Warcraft Menschen, die ihnen auch bzgl. ihrer privaten Probleme zuhören und weiterhelfen.
Was hilft mir dabei, WoW zu genießen – ohne Sucht?
Ich hab mal einen Gedanken zum Umgang zu allem gehört, was Suchtpotenzial beinhaltet. Den fand ich sehr einleuchtend: Wenn es dir keinen Spaß mehr macht, lass es sein.
Total simpel, oder? Aber aus meiner Sicht sehr effektiv.
Vielleicht kennt ihr das vom Binge Watching. Vielleicht vom Handwerken. Vielleicht vom Sport. Oder vom Scrollen durch TikTok: Irgendwann kann ein Punkt kommen, wo es einfach keinen Spaß mehr macht. Ab diesem Punkt darf man mit etwas aufhören und es sein lassen. Entweder komplett oder um eine kurze oder lange Pause einzulegen.
Es ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung stundenlang World of Warcraft zu spielen. Wie es für mich auch völlig in Ordnung ist, eine stundenlange Fahrradfahrt zu unternehmen, stundenlang ein Buch zu lesen oder Stunden in das nächste Brot zu investieren. Und wenn es die Zeit hergibt, darf sich das auch mehrfach in der Woche wiederholen – das aber nur, solange ich Freude daran habe.
„Ist das nicht zu simpel?“
Ich glaube hier kommt die Herausforderung: Nicht immer ist es leicht zu differenzieren, ob du noch an etwas Freude hast oder nur weiter machst, weil du in einer Art Abhängigkeit drin bist.
Ich habe z.B. seit Jahren ein Problem damit, dass ich zu viel Esse. Das Problem ist nicht, dass ich nicht satt werde. Sondern, dass ich lernen muss das Gefühl von Satt sein zu spüren und darauf zu hören.
Zurück zu Sucht und WoW: Hierfür hilft es zwischendurch kurz inne zuhalten, sich vielleicht einen Kaffee zu holen und während die Kaffeemaschine arbeitet aus dem Fenster zu schauen und sich das zu fragen: Macht es mir gerade noch Freude?
Wenn nein, schalt einfach den Computer aus und geh eine Runde mit dem Hund spazieren. Währenddessen kannst du dir ja überlegen, was du gerne als nächstes machen möchtest.
Warum ich feste Spielzeiten nicht leiden kann
Manche werden sagen „Ich setze mir einfach ein Limit von X Stunden pro Woche, solange ich das einhalte, werde ich nicht WoW-süchtig“.
Ein älterer Mann erzählte mir mal einen Gedanken, für den ich bis heute dankbar bin: Viele Eltern neigen dazu ihren Kindern Grenzen für Computerspiele zu definieren, z.B. 30 Minuten pro Tag. Er erklärte: „Viele Strategiespiele und ähnliche komplexe Spiele, die sehr wertvoll für die Entwicklung des Kindes sind, fangen erst an ab einer Stunde wirklich interessant zu werden. Durch die Begrenzung auf 30 Minuten führt man Kinder häufig dazu nach Spielen zu suchen, die möglichst viele Eindrücke für die kurze Zeit bieten.“ Damit landet man schnell bei Spielen, die pädagogisch gesehen eher mau sind.
Ich merke auch bei mir, dass ich wirklich Freude an World of Warcraft habe, wenn ich es zulasse komplett in der Welt zu versinken. Questbeschreibungen und Briefe (auch wenn sie ellenlang sind) genau durchlese, im Internet nach Charakteren recherchiere, mir Zeit für die Landschaft nehme, in meinen Charakter eintauche – wie Zeit nehmen für einen guten Roman.
Ich glaube würde ich mir zeitliche Grenzen setzen, wäre ich schnell bei „Ok, ich hab nur 42 Minuten, ich muss in der Zeit möglichst viele Quests schaffen oder den Dungeon abschließen“, was mich gestresst, gehetzt und unzufrieden machen würde.
Abschließender Hinweis: Lerne bei Hobbys auf deine Persönlichkeit einzugehen
Ich glaube es gibt Persönlichkeiten, die schwerer Freude an Hobbys haben können, als andere. Jeder Mensch ist anders. Manche Persönlichkeiten sind sehr leistungs- und erfolgsorientiert. Solche Menschen können schnell WoW-süchtig werden, da das Spiel mit den erwähnten Quests und Belohnungen permanent Erfolg und Wachstum in Aussicht stellt.
Andere spielen World of Warcraft und genießen es als interessantes und vielseitiges Spiel, das sie zwar fesselt, ja, aber nicht unkontrolliert mitreißt. Vergleichbar mit einer interessante Roman-Reihe, die gerne zur Hand genommen wird, aber nicht wochenlangen Schlaf- und Bewegungsmangel verursacht.
Daher würde ich dir / euch empfehlen auf eure Persönlichkeiten zu achten und entsprechend mit z.B. World of Warcraft umzugehen.
Und vielleicht hilft euch ja immer wieder die Frage: „Macht es mir gerade noch Freude?“.
Fortlaufende Ergänzungen zum Thema
Update vom 28. April 2020
Ich bin vor einigen Wochen auf ein interessantes Interview gefunden (leider finde ich den Link nicht mehr). Dort beschrieb ein Therapeut einer der Gründe, warum Spiele wie World of Warcraft süchtig machen damit, dass sie einige unserer grundlegenden Bedürfnisse erfüllen.
World of Warcraft ist das perfekte virtuelle Gegenstück zum ehemaligen Jäger und Sammler. Gegner werden gejagt und besiegt, Beute gesammelt. Ein interessantes Gedanke.